«Hier und Jetzt»: der Blog

Warum wir Berührung brauchen

Die Neurobiologie hat in den vergangenen Jahren hinlänglich den Beweis für den Menschen als soziales Wesen erbracht. Er ist genetisch darauf programmiert, Kontakte zu knüpfen, Kooperationen zu leben und Beziehungen einzugehen. Hormone, resp. Neurotransmitter wie etwa Dopamin (im Volksmund Glückshormon) oder Oxytozin leisten entsprechende Hilfestellung. Die Dopamin-Achse, das Kernstück der Motivationsachse, erhält von den Emotionszentren des Gehirns Informationen darüber, ob in der Aussenwelt Objekte vorhanden sind, für die es sich lohnt, aktiv zu werden. Die Bildung des Oxytozins hingegen wird über alle Formen der freundlichen Interaktion angeregt. Dies sind namentlich Streicheleinheiten, Berührungen, Massagen oder die Stimulation der erogenen Zonen.

Oxytozin hat eine Reihe von medizinischen Effekten: Es sorgt für körperliche und psychische Entspannung, senkt den Bluthochdruck, dämpft die Angstzentren und vermag das Stress-System zu beruhigen.

All diese Ausführungen klingen plausibel. Sind also einzig die Gene für unser Glücklichsein verantwortlich? Für das Funktionieren unserer Beziehungen oder für unsere Ausgewogenheit? Leider nein. Die genetische Ausstattung kann lediglich garantieren, dass die neurobiologischen Werkzeuge dafür vorhanden sind. Entscheidend für die Fähigkeit, genetisch bereitgestellte Systeme auch einzusetzen, ist, ob sie – vor allem in der Frühphase des Lebens – eingespielt und benutzt werden konnten.

Als Erwachsene können wir selbst daran mitwirken, dass Kooperation gelingt. Als Neugeborene und als Kinder sind wir jedoch darauf angewiesen, dass uns gute zwischenmenschliche Erfahrungen vermittelt werden. Für das Funktionieren und Instandhalten aller biologischen Systeme gilt ein Satz aus der amerikanischen Hirnforschung: „Use it or lose it“, also „Benutze was die Gene bereitstellen, oder du wirst sie verlieren“. Für die Motivationssysteme heisst das: Bleiben während der Kindheit und Jugend gute Beziehungserfahrungen aus, hat dies fatale Folgen für die spätere Beziehungsfähigkeit der betroffenen Individuen.

Tiffany Field, Direktorin und Gründerin des Touch Research Institutes in Miami, Florida, bringt die neurobiologischen Vorgänge und entsprechende Konsequenzen auf den Punkt. Sie macht deutlich, dass man sich Körperkontakt nicht einfach als angenehmen Zeitvertreib gönnen sollte, sondern dass dieser existentieller Natur ist. Ein chronischer Mangel an Berührung beeinträchtigt nicht nur körperliche und geistige Entwicklungsprozesse, sondern fördert auch aggressives, selbstzerstörerisches oder sogar süchtiges Verhalten. In kritischen Phasen wie dem Säuglingsalter, der frühen Kindheit und dem Alter oder in Zeiten schwerer körperlicher Erkrankung, kann der fehlende Körperkontakt die Lebenskräfte und den Lebenswillen so massiv reduzieren, dass nicht nur Säuglinge, sondern auch erwachsene Menschen regelrecht verkümmern und zugrunde gehen.

In einer Welt, in der wir uns immer häufiger nicht direkt – also körperlich – begegnen, sondern über Zwischenmedien wie Mobiltelefon oder Internet kommunizieren, laufen wir Gefahr, in einem der wesentlichsten Bereiche unserer Existenz auszuhungern, ohne dass uns dies bewusst wird. Die medizinischen, psychologischen und soziologischen Erkenntnisse über die dramatischen Auswirkungen, die das Fehlen ausreichender körperlicher Zuwendung nicht nur auf die Qualität, sondern gar auf das Fortbestehen des Lebens hat, sprechen für sich. Anschaulich zeigen sich die Auswirkungen von Berührung/die Erwartung der Berührung (oder dem Mangel daran) auf den Hormonstatus resp. die Neurotransmitter (zum Beispiel Dopamin/Oxytozin u.a.). Untersuchungen von Tiffany Field lassen keine Zweifel, dass Berührung signifikant auf die individuelle Schmerzverarbeitung, die Selbstheilungskräfte und das Wohlbefinden wirkt. “Bei allen von uns bis heute gemachten Experimenten, zeigt sich der positive Effekt der Massage als signifikant. Wir haben kein einziges Beschwerdebild untersucht – inklusive Krebs – bei welchem sich der Effekt des Wohlbefindens, der Beruhigung und der Schmerzlinderung nicht nachweislich gezeigt hätte.”

Morbus Bechterew: Mit pflanzlichen Mitteln neue und ergänzende Wege beschreiten

Eine Therapie mit pflanzlichen Arzneimitteln ist auch bei Bechterew-Betroffenen sinnvoll. Die sogenannte Phytotherapie hilft jedoch nicht immer auf die Art und Weise, die man zunächst erwartet. Wichtig ist, dass sich Klienten auf diese Methode einlassen, zugleich aber auch weitere Therapien weiter verfolgen.

RETO BALIARDA, Schweizerische Vereinigung Morbus Bechterew

 

Géraldine May, die in Zürich eine Praxis für Körpertherapie und Prozessbegleitung führt, übersetzt die Phytotherapie als Pflanzenheilkunde. Bei dieser werden, abhängig von der Darreichungsform, verschiedene Extrakte der jeweiligen Pflanze verwendet. «Von der Wurzel bis zur Blüte wird kann alles aufbereitet und zubereitet werden», erklärt sie.

Meistens seien es «austherapierte» Patienten, die May aufsuchen. «Diese Patienten haben schon alle möglichen Therapien der Schulmedizin ausprobiert, ohne nennenswerten Erfolg». In dieser Situation beginnen viele Betroffene zu suchen und sehen dann die Phytotherapie als neue Option. Und tatsächlich, so die Therapeutin, ist die Phytotherapie vielfach erfolgsversprechend. «Ich schätze, dass bei rund 80 Prozent der Patienten eine Linderung der allgemeinen Beschwerden eintritt», ergänzt sie.

Trotz dieser Aussage ist Géraldine May weit davon entfernt, die Phytotherapie als die ultimative Methode anzupreisen oder diese über die Schulmedizin zu stellen. Ihrer Erfahrung nach kann eine Phytotherapie dann zum nachhaltigen Erfolg führen, wenn sie in Kombination mit körper- und prozessorientierten Therapieansätzen zum Einsatz kommt. Weiter nennt sie die Bewegungstherapie, Übungen zur Körperwahrnehmung, Psychologische Beratung oder auch Ernährungsumstellung als sinnvolle Ansätze. Und natürlich seien pflanzliche Arzneimittel nicht nur als Ersatz von Medikamenten gedacht, sondern auch als Ergänzung. Dies obschon es durchaus möglich ist, dass phytotherapeutische Therapien pharmazeutische Medikamente vollkommen ersetzen, wie dies zum Beispiel bei einer Behandlung von Depressionen der Fall sein kann.

Leiden einer Bechterew-Patientin erfolgreich therapiert

Ebenso wichtig ist es, vor Therapiebeginn mit den Klienten über deren Erwartungen zu sprechen und ihnen aufzuzeigen, welche realistischen Ziele erreicht werden können. Manchmal weiche dann auch der Therapieansatz von der ursprünglichen Vorstellungen der Klientin ab. Diesbezüglich erinnert sich Géraldine May an eine Bechterew-Betroffene, die bei ihr in Behandlung war. Nach einem Erstgespräch einigten sie sich, dass das primäre Ziel der Therapie nicht die Herabsetzung der entzündlichen Schmerzen sei. Vielmehr sollte durch psychisch stabilisierende Massnahmen ein anderer Umgang mit dem Schmerz angestrebt werden.

Die Patientin wurde mit einer Urtinktur und einem spagyrischen Notfallspray* behandelt. Weitere Abklärungen, die beispielsweise das geeignete Bad betrafen, führten dazu, dass sich die Klientin zusehends entspannen konnte und ihr passiver Widerstand gegen die Schmerzen aufgeweicht wurde. Géraldine May bemerkt dazu: «Für mich gilt die Formel: <Schmerz multipliziert mit Widerstand ergibt Leiden>. Bei der Therapie mit der Bechterew-Betroffenen sind die Schmerzen als solche zwar geblieben. Doch da ihr innerer Widerstand weitgehend beseitigt werden konnte, hatte sich auch ihr Leiden verringert.» Die Interaktion von Körper und Psyche führte zu einer gesteigerten Lebensqualität, in der die Schmerzen anders wahrgenommen und sich dadurch subjektiv verringert hatten. Denn Schmerz, so die Phytotherapeutin, sei eine Zusammensetzung verschiedener Komponenten.

Vertrauen ist wichtig

Mit dem erfolgreichen Therapie-Beispiel der Bechterew-betroffenen Frau unterstreicht Géraldine May auch, wie wichtig das gegenseitige Vertrauen bei einer Phytotherapie ist. Vertrauen habe einen enormen Einfluss auf den Therapieverlauf, der wegen der meist langsameren Wirkung oft länger dauert. «Ein Klient, der vertraut, fühlt sich sicherer. Und das Sicherheitsgefühl hat eine positive, entspannende Wirkung auf das vegetative Nervensystem», unterstreicht sie die Bedeutung. Umgekehrt führe eine Therapie mit pflanzlichen Arzneimitteln bei Patienten mit einer gleichgültigen oder ablehnenden Haltung kaum zum Erfolg. Es sei denn, das Vertrauen der Klienten kann rechtzeitig gewonnen werden. Ebenso wichtig für den Erfolg einer Phytotherapie sei die Eigenverantwortung des Klienten.

Nicht zuletzt wegen der grundsätzlich langsameren Wirkung kommt laut Gédaldine May die Phytotherapie längerfristig zum Einsatz. Es sei eine «Investition ins Leben».

*Als «Spagyrik» bezeichnet man die Aufbereitung von Heilmitteln nach den Methoden der Alchemie